Zeitschrift für Heimatforschung
Herausgegeben von der Lehrerschaft des pol. Bezirkes Tulln
1. Jahrgang, Folge 4
15. Juli 1926, Seite 3-4
Die Ruine des ehemaligen Franziskanerklosters
„Zu unserer lieben Frau im Paradies“ auf dem
Riederberge in Geschichte und Sage.
Von Franz Högl, Chorherrn
In einer romantisch gelegenen Talschlucht des Riederberges befinden sich auf einer kleinen Waldwiese, umrauscht von den Buchen des Wienerwaldes, die Ruinen des ehemaligen Franziskanerklosters „Zu unserer lieben Frau im Paradies“.
Dieses stille, in tiefer Waldeinsamkeit vom Weltgetriebe abgelegene Plätzchen zeiht den, der es einmal betrat, immer wieder an. Ist es doch ein Ort, der seine eigene Geschichte hat und zum Träumen über längst vergangene Zeiten einlädt!
Die Blätter des Vereines für n.ö. Landeskunde (Dr. Kerschbaumer 1875) berichten:
„Als der heilige Johann von Capistran in der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts den Kreuzzug gegen die Türken predigte, woran noch jetzt die auf dem Stefansplatze befindliche Kanzel erinnert (er predigte zu Wien 1451), gewann hoch und niedrig eine solche Vorliebe für den reformierten Orden des hl. Franziskus, dessen Mitglied er war, daß innerhalb weniger Jahre mehrere Klöster dieses Ordens in Niederösterreich entstanden (in Wien, St. Pölten, Langenlois, Eggenburg, Katzelsdorf bei Wiener-Neustadt, Enzersdorf am Gebirge, Feldsberg). Bevor noch Johann von Capistran sein ruhmgekröntes Leben beschloß (1456), kam der damalige Vikar der österreichischen Franziskanerordenprovinz auf seinen Wanderungen in die oben geschilderte Gegend (die Straße ging nach einer alten Sage über den Eichkogl, wo eine Waldkapelle zu Ehren des heil. Laurenz stand), welche ihm so gut gefiel, daß er den Entschluß faßte, in dieser anmutigen Einsamkeit eine Ordenskolonie zu errichten. Nachdem er die Erlaubnis und durch die Wohltätigkeit des Bischofs von Passau (Ulrich III. von Nußdorf, Anmerkung des Verfassers) auch den Platz dazu erhalten hatte, ließ er aus den Almosenspenden der frommen Gläubigen bei der Waldkapelle des heil. Laurenz ein Kloster erbauen, das seiner lieblichen Lage wegen den Namen „Zu unserer lieben Frau und St. Lorenz im Paradies“ (in paradies) erhielt (1457). Das Kloster wurde in so kurzer Zeit vollendet, daß bereits im Jahre 1464 hier ein Provinzialkapitel gehalten werden konnte, welches diesen Vikar, Gabriel v. Verona, wieder zum Provinzialvikar wählte.
Die tiefe Einsamkeit des Ortes, welche seine Bewohner von jedem Geräusche weltlichen Treibens schied, gefiel den Ordensoberen so wohl, daß sie sogar das Noviziat für die Zöglinge der österreichischen Ordensprovinz hieher versetzten.“
Leider hatte das Kloster recht traurige Schicksale; ein Beweis dafür, daß es unter dem Himmel ein Paradies nur dem Namen nach gibt. Zwei Unglücksfälle bereiteten dem Kloster ein jähes Ende, beide Male die verzehrende Glut des flammenden Feuers.
„Im Jahre 1509 wurde ein großer Teil des Klosters samt der Kirche ein Raub der Flammen. Die Löschanstalten waren damals noch sehr unbeholfen, die Zufahrt schwierig, der Wasservorrat gering. Die Flammen griffen so schnell um sich, daß ein junger Kleriker, namens Zacharias, keinen Ausgang mehr gewinnen konnte; der Arme suchte beim Hochaltare Zuflucht, allein er verbrannte mit demselben. Nach dem Brande wurde das Kloster wieder hergestellt; namentlich sind an dem Bogen vor dem Schiffe der im gotischen Stile erbauten Kirche (gegen Norden) noch Reparaturen erkenntlich, soweit dies bei den Ruinen eben möglich ist.
Diesem traurigen Ereignis folgte zwanzig Jahre später ein noch größeres Unglück.
Als im Jahre 1529 die Türken zum ersten Male in Österreich eindrangen, zog eine Abteilung jener Massen sengend und brennend, plündernd und mordend, beutesuchend donauaufwärts. Von Klosterneuburg aufwärts hielten sie sich an den Saum des Gebirges, verwüsteten und verbrannten die Ortschaften St. Andrä, Königstetten, Tulbing, Chorherrn, Freundorf und Judenau und kamen so, obwohl dies ein Umweg war, bis zu dem abgelegenen Paradies auf dem Riederberge. Die Franziskaner hatten keine Ahnung von dem schrecklichen Schicksale, das ihnen bevorstand, sonst hätten sie sich gewiß in den dichten Wienerwald geflüchtet, wie es ja so viele Bewohner des Tullnerfeldes taten. Sie blieben in ihrem Kloster und fanden alle den Tod „im Paradiese“. Es war am 26. September 1529, als die wilde Türkenhorde das Ordenshaus anzündete, die ausgebrannten Mauern, soweit es möglich war, der Erde gleich machte und 18 Klosterbrüder teils mit dem Schwerte tötete, teils in die prasselnden Flammen warf.
Unter den niedergemetzelten Ordensbrüdern befanden sich: P. Theobald v. Neustadt, ein exemplarischer Priester, der früher Vorstand der Sakristei zu Wien war; der Laienbruder Alexius v. Tamsweg im Salzburgischen, ein sehr frommer Greis, und Bernardin v. Döllersheim (beide waren Köche); Zachäus v. Zwettl. Ob diese vier Ordensmänner in der Zahl der 18 Ermordeten mit inbegriffen sind oder vielleicht aus irgend einem Verstecke hervorgezogen und niedergemetzelt wurden, lassen die vorhandenen Quellen zweifelhaft. Die Namen der anderen Schlachtopfer sind in keiner Quelle verzeichnet, wohl aber, wir wollen es hoffen, im Buche des Lebens!
Das „Paradies“ stand jetzt leer und nur die ausgebrannten Mauerreste starrten traurig in die stille Waldeinsamkeit.
Am 27. September 1529 wurde ein Franziskaner, P. Ladislaus, auf der Flucht nach Königstetten von den Türken eingeholt und niedergemetzelt. (Dr. Kerschbaumer, Geschichte der Stadt Tulln, Auflage 1902, Seite 57).
„Das Kloster noch einmal aufbauen, schien nicht mehr ratsam, denn teils fehlte es in jener schweren Zeit an den dazu nötigen Mitteln, teils war die begründete Furcht vorhanden, daß die feindlichen Einfälle wiederkehren könnten. Daher wurde im Provinzialkapitel zu Langenlois der einstimmige Beschluß gefaßt, diesen Ort gänzlich zu verlassen und aufzugeben. So blieb denn das verödete Kloster bis heute unter seinen Trümmern begraben und nur mehr spärliche Mauerreste sind stumme Zeugen jener schwer bewegten Zeiten.“
Daselbst soll eine große Anzahl Ordensbrüder ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.
Wie überall, windet auch hier die Sage um diese so idyllisch gelegene Stätte ihre Ranken. Nachstehend sei eine Sage festgehalten, welche mir am 19. April 1922 Herr Alois Knödler, Landwirt in Chorherrn, erzählte, dem sie in seiner Jugend eine alte Frau, Marie Fleberger, des öfteren erzählte.
Im ehemaligen Keller des Klosters auf dem Riederberge sind kostbare Schätze in drei großen Bottichen verborgen. Diese Schätze werden von drei großen schwarzen Hunden bewacht, welche auf den Bottichen sitzen. Der Keller ist jetzt verfallen, nirgends ist ein Eingang zu finden. Alljährlich am Karfreitage aber, in der Zeit zwischen der Predigt und Passion, öffnet sich der Keller und da kann man von den Schätzen nehmen, was man zu tragen vermag, nur muß man trachten, den Keller zu verlassen, bevor in der Kirche die Passion zu Ende gelesen wird, denn – sonst schließt sich der Keller wieder und der Eindringling ist verloren. Die Hunde, welche die Zähne fletschen und knurrend auf den Eindringling losfahren, braucht man nicht zu fürchten, weil sie zu dieser Zeit nicht beißen.
Von diesen reichen Schätzen hörte auch eine arme Witwe, welche mit ihrem kleinen Kinde zur bestimmten Zeit in den sich öffnenden Keller eindrang und von den unermesslichen Schätzen in aller Eile ihre Taschen und ihre Schürze füllte. Als sie dachte, die Zeit könnte schon abgelaufen sein, sprang sie rasch zur Kellertür hinaus, vergaß aber in der Eile und in ihrer Aufregung, ihr Kind mitzunehmen. Rasch wollte sie noch zurück und ihr Kind retten, jedoch hatte sich der Keller schon geschlossen und die tiefbetrübte Mutter mußte ohne das Kind nach Hause zurückkehren. Tag und Nacht weinte und betete sie um ihr Kind und konnte sich der mitgenommenen Schätze nicht erfreuen. Am Karfreitage des nächsten Jahres begab sich die arme Mutter um die gleiche Zeit wieder zur Klosterruine, Nachschau nach ihrem Kinde zu halten. Und – siehe da! Als sich der Keller wieder öffnete, fand sie ihr Kind, welches jetzt schon laufen konnte, frisch und gesund wieder. Rasch nahm sie es, drückte es an ihre Brust und eilte freudestrahlend heim.
(Beachtenswert ist, daß über den Rollberg bei Niemes in Nordböhmen eine ähnliche Sage existiert. Siehe in Friedrich Kuthmayers „Österreichs Sagenborn“ die Sage „Die Tempelritter im Rollberge“ – ).
Auch erzählt man sich im Volksmunde, daß man nach den Schätzen in diesem Keller wiederholt gegraben habe, Tage hindurch, aber jedes Mal seien während der Nacht die Spuren jeglicher Arbeit gänzlich verwischt worden, sodaß man nicht weitergekommen sei und die Arbeit aufgegeben habe.
Ein Mann aus der hiesigen Gegend erzählte, er sei vor einigen Jahren im Walde in der Nähe der Klosterruine mit Holzfällen beschäftigt gewesen. Am Nachmittage, gegen die Jausenzeit, hörte er auf einmal fromme Gesänge aus der Richtung der Klosterruine. Längere Zeit hörte er dem Gesange zu und entnahm, daß Psalmen gesungen wurden. Von Neugierde getrieben, ging er dem Gesange nach und sah vom Waldrande aus auf der Wiese unmittelbar vor der Ruine drei Mönche in schwarzen Habiten, welche gemeinsam aus einem Buche stehend ihre Psalmen sangen. Hinter einem Baumstamme gedeckt, hörte er der Andacht der drei Mönche, zwei alten mit wallenden Bärten und einem jungen, mit großer Spannung zu. Endlich klappte der ältere Mönch das Buch zu, drehte sich um, den Blick in die Richtung des Beobachters gewendet, und – die Erscheinung zerrann.
An die in der Nähe der Klosterruine befindliche Quelle, das „Bründl“ genannt, knüpft sich der Volksaberglaube, daß es zu regnen beginne, wen man darin mit einem Stocke rühre und dabei drei Vaterunser bete. Ältere, aber auch jüngere Leute glauben fest daran und versuchen – besonders in heißen Sommern nach längerer Trockenheit – durch dieses Verfahren den langersehnten Regen herbeizuführen.
Ich selbst war zu verschiedenen Tageszeiten dort bei der Klosterruine und ruhte im kühlen Waldesschatten zur heißen Mittagszeit, träumend von vergangenen Tagen, ich schaute sie, als der Vollmond die spärlichen Mauerreste mit seinem bläulichen Lichte übergoß, aber von den reichen Schätzen, die ich ja gar nicht zu finden hoffte, entdeckte ich nichts. Vielleicht gelingt es einem glücklichen Menschenkinde, einem Sonntagskinde etwa, mit einer Wünschelrute diese sagenhaften Schätze zu heben. Wir gewöhnlichen Menschenkinder aber finden dort in der stillen Waldeinsamkeit andere Schätze: Ruhe des Gemütes und Stärkung der Liebe zur Heimat.
Stand der Abschrift: 19.1.2008. Veröffentlicht am 1.3.2025.